Das Flechten hat eine besondere Eigenschaft: wie sehr man sich auch anstrengt, völlig identische Erzeugnisse herzustellen gelingt nicht.
Seit ungeahnten Zeiten
Das Flechten ist eine sehr alte Kulturtechnik besonders der wärmeren Gefilde in Afrika, Australien, Ozeanien, Nord- und Südamerika. Geflochten wurden Bestandteile der Kleidung, Haushaltszubehör. Fischfanggerät. Aus dem Neolithikum sind Matten, Körbe und andere praktische Dinge bekannt. Bei vielen Völkerschaften wurden auch Gebäudewände geflochten.
Archäologischen Quellen zufolge stammt der älteste geflochtene Korb aus Ägypten (Al-Fajum). Untersuchen ergaben, dass sein Alter bei 10 bis 12 Tausend Jahren liegt. Im Grab von Tutanchamun aus dem 14. vorchristlichen Jahrhundert wurden zwei erhaltene geflochtene Stühle gefunden. Von der Verbreitung geflochtener Möbel und anderen Hausrats zeugen Zeichnungen, die in den Ruinen von Pompeji ausgegraben wurden.
Der Beruf des Korbflechters war im Mittelalter vielerorts verbreitet: in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Skandinavien und Russland.
Vergessener Hausrat
In Litauen wird seit ewigen Zeiten geflochten. Jedes Dorf hatte seinen Meister, der Körbe für den Haushalt flocht und dabei seine typische Handschrift in Form, Abmessungen und oft auch Flechttechnik hatte. Körbe dienten für Kartoffeln, Gemüse, Äpfel, Beeren oder Pilze. Zudem werden Körbe, mit denen das Getreide gesät wurde, geflochten. Es gab siebartige Gefäße mit denen die Spreu vom Korn getrennt wurde, große Körbe zum Tragen von losem Futter, geflochtene fassartige Gefäße für die Aufbewahrung von Mehl, Getreide oder Hopfen. Nicht erwähnt bleiben sollten auch geflochtene Wiegen. Dann gab Körbe für die Aufbewahrung von Fleisch oder den Transport lebender Ferkeln zum Markt. Aus geschälten Weidenruten oder Wurzeln wurden schmuckere Körbchen für die Frauen zum Marktbesuch geflochten oder um Lebensmittel für feierlichen Gelegenheiten aufzubewahren, zum Beispiel für Ostern. Auf den Märkten in den Städten wurden regelmäßig Korbwaren zum Verkauf angeboten.
In praktischem jedem Hof gab es Körbe in Normgröße, zumeist ein Scheffel, zum Abmessen des Getreides. Unabdingbar war auch der Saatkorb, den man zur Aussaat des Getreides brauchte. In großen, dicht geflochtenen Körben bewahrte man Getreide oder Mehl auf. Dann gab es spezielle aus Weidenruten grob geflochtene Körbe (Heunetze), mit denen man das Heu aus der Scheune in den stall brachte. Auch Bastschuhe wurden geflochten.
Mit geflochtenen Zäunen wurden Höfe, Gemüsebeete, Weiden und Schonungen umzäunt. Davon gabe es verschiedene Varianten. Manche Zaunarten kann man im ethnographischen Freiluftmuseum in Rumsiskes besichtigen. Später flocht man in Litauen auch Möbel, die besonders in den Pfarren und Gutshäusern Verbreitung fanden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sogar Werkstätten für Korbmöbel.
Das Material des Korbflechters stammt aus der Natur
Zum Flechten wurden in der Natur leicht zu findende Materialien verwendet: Austriebe und junge Zweige der Weiden und der Haselnuss, aufgespaltene Zweige von Weide oder Hasel, Wurzeln von Fichte und Kiefer, verdrilltes Roggenstroh. Dabei kam nur ausgedroschenes Stroh zur Verwendung, bei dem die Fasern nicht zerbrochen waren, die man dann mit Lindenbast oder der Bastschicht von Hasel zusammenband. In Oberlitauen und Dzukija verwendete man auch dünne Fasern aus Splintholz der Kiefer zum Flechten. Später baute man Korbweiden in Plantagen an.
Ein Handwerk, das auch heute gefragt ist
Das Flechten aus Ruten hatte immer und hat noch heute eine praktische Bedeutung, im Verlaufe der Zeit wurden auch dekorative Erzeugnisse hergestellt. Seit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit überraschen die Korbflechter mit einfallsreichen Kompositionen und Verwendungszwecken. Neben diversen Körben, von ganz kleinen als Souvenir bis zu Riesenexemplaren, wurde es auch wieder modern Babykörbe zu verwenden, Truhen und Körbe für Bettwäsche und Wäsche, Körbe zum Einkaufen und natürlich zum Pilze und zum Beeren suchen. Dann gibt es Picknick-Körbe mit Deckeln, die Körbe von Heißluftballons, auch das Angebot an Korbmöbeln ist gewachsen.
In Litauen zeichnet sich das Flechten durch Meisterhaftigkeit und hohe Qualität aus. Die Korbwaren sind nicht mit Mustern überladen und es werden überwiegend natürliche, ungefärbte Ruten und Fasern verwendet. Da altertümliche Sachen in Mode sind, fingen die Korbflechter auch an, Körbe aus Ruten mit Rinde herzustellen. Getrocknete und erneut eingeweichte Ruten erhalten eine grünlich rote Färbung. Eine Korbware, die aus solchen Ruten sieht aus, als wäre es schon ziemlich alt. Solche Erzeugnisse duften angenehm nach Wald.
Wie schnell die Technik sich auch immer entwickelt und neue Technologien und preiswerte synthetische Materialien erfunden werden, so hat sich doch das Korbflechten kaum verändert. Wie auch früher erfolgt das Flechten nur von Hand. Jede Rute wird ausgewählt und an die geeignete Stelle eingepasst, vielfach von den Fingern des Meisters bewegt. Der Korbflechter wählt die Dicke des Materials nach Größe und Verwendungszweck des Erzeugnisses aus, kombiniert verschiedene Elemente wie Schichten Zöpfe, Schnüre oder Gitter. Ein guter Korbflechter kommt ganz ohne Leim und Nägel aus. Wer gedacht hatte, dass das manuelle Korbflechten verschwindet, hat sich geirrt. Heute gibt es in Litauen sogar 78 zertifizierte Korbflechter.